Von Ted Grant.
Veröffentlich in Socialist Appeal. Nr. 32, Oktober 1946.
Jerusalem – Das perfide Doppelspiel des Stalinismus im Kampf gegen den Imperialismus in Palästina erscheint in neuem Licht.
Während der jüngsten Streiks[1], an denen sich Araber und Juden gemeinsam beteiligten, unterstützten die Stalinisten extreme Nationalisten sowohl unter den jüdischen wie auch den arabischen Gruppen, die einen geeinten Kampf gegen den britischen Imperialismus ablehnen.
Die Angewohnheit der Stalinisten, den „Nationalisten“ nachzutraben, hat sich in den letzten Tagen in ihrer abstoßendsten Art offenbart. Während die jüdischen Stalinisten einen Kampf gegen das britische Weißbuch[2] aufgenommen haben und freie Zuwanderung und Ansiedelung fordern – eine ihrer Gruppen ging sogar so weit, dass sie der Zionistischen Weltorganisation beigetreten ist –, singen die arabischen Stalinisten Loblieder auf den Großmufti, den reaktionären Führer des arabischen bürgerlichen Nationalismus.
Al-Ittihad, die Wochenzeitung der arabischen Stalinisten, schrieb am 23. Juni 1946 anlässlich der Ankunft des Muftis in Ägypten:
„Unsere kämpfende Nation ehrt jene, die sich selbst opfern. Die arabische Nation in Palästina hat Lebenskraft und Treue gegenüber ihren Interessen und gegenüber jenen, die für diese arbeiten, gezeigt. Das gesamte arabische Palästina feierte die guten Nachrichten… Das arabische Palästina drückt seine Gefühle in ihren Feiern und Demonstrationen für jeden Mann aus, von dem es sicher sein kann, dass er seinem Land treu dient.“
Die britische Lösung:
… zeigt besser als alles andere die wahren Ziele der britischen Imperialisten in Palästina. Großbritannien würde Jerusalem regieren; die Juden würden den fruchtbaren Küstenstreifen erhalten; die Araber, die 88 bis 89 Prozent der Agrarbevölkerung ausmachen, würden 40 Prozent des Landes und Jaffa bekommen. Die wirkliche Kontrolle über das Land würde in den Händen der Briten bleiben. Die Aufteilung Palästinas kommt der Zerstückelung eines lebendigen Körpers gleich. Wirtschaftlich und politisch stellt Palästina eine Einheit dar. Indem Großbritannien die Negev-Wüste mit ihren Militärbasen in der Nähe zu Ägypten und dem Suezkanal behält, sichert es sich das strategische Gebiet für die Kontrolle des Mittelmeers und der Routen nach Indien und dem Osten. Das würde Palästina vom Rest der arabischen Welt abschneiden. Hierin liegt das wirkliche Interesse des britischen Imperialismus in Palästina. Das ist der Grund für ihre Politik des „Teile und Herrsche“. Die britischen Arbeiter haben kein Interesse an dieser Politik und müssen Freiheit und Unabhängigkeit für Palästina fordern, sprich den vollständigen Rückzug der britischen Truppen.
Die zionistische Lösung:
… würde Palästina in zwei separate Staaten aufteilen: einen arabischen und einen jüdischen. Die Juden würden 65 Prozent des Landes bekommen. Der gesamte Küstengürtel würde an die Zionisten gehen, die Araber würden Jaffa bekommen. Natürlich würden die Zionisten den Briten erlauben, ihre Militärbasen in der Nähe zu Ägypten und dem Suezkanal zu behalten und somit in letzter Instanz ihre Herrschaft über Palästina zu sichern. Die Zionisten brauchen die Briten als Beschützer gegen die arabische Welt. Der Antisemitismus nimmt im ganzen Nahen Osten in einem alarmierenden Ausmaß zu. Es ist klar, dass keiner dieser Pläne eine Lösung für die unterdrückten Juden in Europa oder für die arabischen Massen bietet. Palästina muss Teil einer Freien Arabischen Föderation der Völker werden, in der der jüdischen Minderheit die vollen gleichen Rechte garantiert werden. Nur so ein Programm kann die jüdischen und arabischen Arbeiter gegen den britischen Imperialismus im Kampf für ein unabhängiges Palästina vereinen.
[1] Im April 1946 kam es in Palästina zu einem Generalstreik, an dem sich arabische und jüdische Arbeiter gleichermaßen beteiligten. Sie protestierten gegen die britische Herrschaft und forderten bessere Arbeitsbedingungen.
[2] 1939 veröffentlichte die britische Regierung ein Weißbuch (eine Art Resolution), in dem die Idee einer Teilung Palästinas abgelehnt wurde. Die Migration nach Palästina sollte für die kommenden fünf Jahre auf 75.000 Personen beschränkt werden. Alle weitere Zuwanderung sollte von der arabischen Mehrheit bestimmt werden. Das Weißbuch löste eine starke Zunahme sektiererischer Gewalt aus und führte zu einer Intensivierung des Widerstands der zionistischen Guerillas gegen die britische Herrschaft.